Eine Kurzgeschichte
Das Refugium
So eine Scheißangst! Das Herz hämmert, das macht doch verrückt. Tatam, tatam, tatam, in einer affenartigen Geschwindigkeit. Einfach nur Ruhe, ist das denn zu viel verlangt. Dann wieder hält es plötzlich an, stolpert, und jedes Mal die Panik, jetzt hört es, hört es auf. Hört ein-fach auf. Dazu dieser Schwindel, und die Übelkeit. Kein Wunder, wenn man den ganzen Tag nichts gegessen hat. Ist ja auch egal.
Vernünftig zu laufen war nicht mehr drin, also irgendwie über den Gehweg schlingern, versuchen, den Leuten auszuweichen. Plötzlich die zupackenden Arme einer alten Mutti, ein Halt in unsicherer Welt. Ist es schon so weit gekommen? Sie scheint auf Trunkenheit zu tippen: Na, einen über den Durst getrunken? Sie fragte ganz sachlich. Eine starke, korpulente Frau, die mit beiden Beinen fest auf der Erde stand. Nein, nein, aber wie das beweisen? Ihr Gesicht bekam einen nachdenklichen Ausdruck. Hinter ihrer niedrigen Stirn, über die ein paar dünne blonde Haare fielen, schien es heftig zu arbeiten. Schließlich hatte sie eine Idee: Da vorne is jleich det Virchow, vielleicht können die wat machen. Und schon wackelte sie von dannen. Na so fit auf den Beinen war die auch nicht. Ziemliche Dickmadam.
Virchow hatte sie gesagt. Ins Krankenhaus.
Vielleicht keine blöde Idee. Besser als nach Hause gehen. Nach Hause auf keinen
Fall. Moabit schien unendlich weit weg. Und unerreichbar. Ein Wahnsinnsverkehr war auf dieser verdammten
Straße, Autos, Lärm, der Kopf wollte platzen. Also
schneller gehen, so gut es ging. Das Virchow war ganz nah, einfach auf dieser
verdammten Straße weitergehen, da vorne links musste es gleich sein. Da, an der
großen Kreuzung. Die Beine wie Gummi, aber
immer weitergehen, wie eine Aufziehpuppe. Der
Schweiß rinnt von der Stirn, das Herz klopft wie blöd, und in den Ohren brummt
es. Dann endlich das Eingangstor des
Krankenhauses. Eine Art Information gab es da, ein brummiger alter Kerl saß
hinter einem Glasfenster. Er wollte wissen, um was für Beschwerden es sich denn
handle. Ziemlich geschraubt, oder? Dann sagte er, Mittelallee 11 sei die
richtige Adresse. Hinten links, schob er hinterher.
Also weiterlaufen, wie ferngesteuert, über den
Fußweg, der sich mitten durch eine Allee zog, vorbei an Figuren in Morgenmänteln
und Pantoffeln, gestrandete Vögel, die über Schläuche mit Ständern verbunden
waren, an denen Beutel mit Flüssigkeiten baumelten. Oder sie hatten einen
Körperteil in Gips. Überall stiegen Rauchwolken in die Luft.
.......
Anfang des Romans "In einer Nacht ohne Mond"
Es war Nacht, fast schon
Mitternacht, und kein Mond stand am Himmel. Die Straßen waren verlassen und die
Menschen drängten sich auf engem Raum in den Wohnungen der Häuser. Es war
still. Eine dicke, sämige Stille, die schwer auf den Straßen und Häusern lag.
Durch diese stumme Dunkelheit eilten leise zwei Gestalten. Vorweg ein Mann und
dahinter eine Frau mit einem Kind auf dem Arm. Dicht an den Häuserwänden
entlang gingen sie mit raschen Schritten. Der Mann spähend, fast witternd wie
ein gejagtes Tier. Die Frau hielt das Kind fest an sich gedrückt. Es war kalt,
weiße Atemwolken standen vor ihren Mündern. An einem Holzzaun angekommen, hielt
der Mann an und tastete nervös mit den Händen die Holzlatten ab, nach der
Stelle, die nachgeben sollte. Die Frau sah sich immer wieder angstvoll nach
allen Seiten um. Endlich fand er die lose Latte, bog sie zur Seite, half Frau und
Kind durch den Spalt, schlüpfte hinterher, schloss den Spalt wieder sorgfältig
zu. In diesem Augenblick bog jemand um die nächste Straßenecke, kam ihnen
schnell entgegen. So schnell, dass an Flucht nicht zu denken war mit dem Kind
auf dem Arm. Über der Schulter der Gestalt zeichnete sich schwach der Lauf
eines Gewehrs ab. Im Näherkommen wurde eine Uniform erkennbar. Am Kragen auf
schwarzem Grund weiße Zwillingsblitze. Der Mann und die Frau standen still und
rührten sich nicht. Auch der Soldat hielt an. Er griff nach dem Gewehr, den
Mann und die Frau fest mit den Augen fixierend, brachte es in Position. Alles
stand still. Nur das Gewehr bewegte sich. Langsam senkte sich der Lauf in Richtung
auf sein Ziel. Die Frau starrte auf die Mündung des Gewehrs. Und plötzlich fing
ihr Mund an sich wie von selbst zu bewegen, Worte wurden laut: Wie gut, dass
wir Sie treffen! Sie können uns sicher sagen, wie wir aus der Stadt kommen,
ohne von den Deutschen geschnappt zu werden.
Der
Lauf des Gewehrs malte kurz ein verstörtes Zickzack in die Luft, verlor seine
Bahn, hielt nicht an auf der Höhe seines Ziels, senkte sich ratlos zu Boden.
Wie mechanisch sagte der Soldat: Geht über die Nowigorod, da ist keine
Kontrolle. Dann ging er weiter, an den beiden vorbei. Als ob sie dort gar nicht
stünden. Das Kind gab keinen Laut von sich.
deine Kurzgeschichte zieht mich voll in meine Neugier. Du treibst einen Menschen voran und ich hoffte, neben ihm hechelnd, mehr über sein torkelndes Schicksal zu erfahren. So spannend, doch plötzlich nur ..... Lass mich als Leser nicht.....
AntwortenLöschenWie gehts weiter?
Gibt es den Roman "In einer Nacht ohne Mond" bereits als Buch? Oder auf welchem Weg darf ich die Geschichte weiter verfolgen?
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